Wenn kleine Jungs Krieg spielen – toxische Maskulinität und Unternehmenskultur
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- 03.02.2018
Tanit Koch verlässt die Bild-Redaktion, Julian Reichelt übernimmt neben seiner Position, nun auch ihre. In den Medien findet man dabei immer wieder die gleichen Zitate, die ein ziemlich genaues Bild zeichnen: Macht, Kontrolle, Hierarchien sind an der Tagesordnung bei Springer – und das nicht nur bei der BILD.
Unser opinion piece darüber, was toxische Maskulinität mit kaputter Unternehmenskultur zu tun hat, und warum Reichelts Aufstieg mit dem Niedergang von Springer einhergehen könnte.
Klare Verhältnisse, keine Kompromisse
Zum Ausstieg von Koch findet Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner Worte die uns auf vieles schließen lassen: „Die Verantwortungskonstellation in der Chefredaktion war zwar gut gemeint, hat aber in der Praxis nicht funktioniert, weil diese Aufstellung nicht zu ,Bild` passt. ,Bild` braucht,” so sagt er, “ganz klare Verhältnisse.“ Frau Koch wird von allen Medien dabei fast durchgängig mit dieser Aussage zitiert: „Wenn zwei Menschen professionell nicht harmonieren, lässt sich das eine Zeit lang durch Kompromisse ausgleichen. 2017 war davon geprägt, bis meine Kompromissbereitschaft an ihre Grenzen gelangte.“ „Bild“ zeichne sich nicht durch Kompromisse aus, sondern durch Klarheit, so Koch.
Aus der Redaktion zeichnet sich also ein vermeintlich starkes Bild ab: Klarheit, Kompromisslosigkeit, klare Verhältnisse. Worte, die dem Wunsch Vieler nach Recht und Ordnung in unserer Gesellschaft anspricht, wie man es an dem Erfolg der AfD sehen kann. Es sind Begriffe die Macht ausdrücken und Disziplin, hinter die Kulissen geblickt erkennt man aber, dass es nur Tarnworte sind, um die Unsicherheit und den daraus resultierenden Machtmissbrauch Einzelner zu rechtfertigen.
Unsicherheit und Machtkampf
Tanit Koch wurde ganz klar rausgeekelt. Die Art und Weise wie und wieso sie nun geht, hat rein gar nichts mit Klarheit oder strengen Verhältnissen zu tun. Im September erst erschien eine Neuauflage des Bild-Buches, das einen Rückblick der letzten 65 Jahre liefern soll. Tanit Koch kam darin nicht vor, Julian Reichelt war dabei einer der Hauptverantwortlichen für diese Publikation – ein Schelm wer böses dabei denkt. Nach und nach soll sie auch aus Meetings rausgeekelt worden sein, wie meedia berichtet. Sie ging auf keine der Konferenzen mehr, wohingegen Reichelt alle leitete.
Klar ausgesprochen: Koch wurde durch Mobbing und Sticheleien nach und nach zermürbt. Dass Koch als auch Döpfner hier jedoch lieber zu Begriffen wie “Klare Verhältnisse” und “Kompromisslosigkeit” greifen statt Mobbing, zeigt in welchem Wertesystem Springer lebt. Was Reichelt tat, war nur möglich weil Springer ein System der toxischen Maskulinität legitimiert und fördert.
Kleine Jungs, die Krieg spielen
Reichelt spielt gerne Krieg, das erkennt man schon an seinen Artikeln. Dass er diese Weltanschauung auf eine Art und Weise auch lebt, die eher nach einem pubertierendem Jungen statt Chefredakteur klingt, stellt einem die Nackenhaare auf. Marvin Schade von meedia zeichnet da ein schönes Bild: Julian Reichelt hat in seinem Büro “ein Feldbett, eine zerfledderte US-Flagge, einen großen Couchtisch und eine Playstation in Camouflage-Optik”, die Optik entspricht mehr einem Lager als einem Büro , auf dem Gang soll er zudem mit “Commander” von seinen Mitarbeitern angesprochen werden, wie meedia berichtet.
Militär, Disziplin, Gewaltlegitimation, Macht. Reichelt teilt seine verquere Weltanschauung mit Leuten wie Steve Bannon oder Donald Trump, kleinen Jungs die gerne Krieg spielen, er ist ein klassischer Fall von toxischer Maskulinität.
Toxische Maskulinität und Produktivität
Tanit Koch war neben Reichelt die Favoritin von Kai Diekmann, ein Fakt der Reichelt wohl nicht nur ärgerte, sondern auch ängstigte. Wäre Reichelt stärker, klüger, mächtiger, bräuchte er diese Machtspielchen nicht, um Koch zu besiegen. In einem Unternehmen aber, welches ein falsches Bild von Männlichkeit als höchstes Gut ansieht, wird Mitarbeitern foul play und Aggressivität als valider Machtbeweis präsentiert. Dabei geht schnell das eigentliche Ziel verloren: der Erfolg des Unternehmens selbst.
Toxische Maskulinität, also ein Männerbild das auf einer schiefen Sicht auf Männer als rein aggressive, immer leistungsfähige Individuen basiert, ist auf Dauer der Tod jedes Unternehmens. Jim Collins, amerikanischer Managementexperte und ehemaliger McKinsey-Berater, argumentiert in “Der Weg zu den Besten: Die sieben Management-Prinzipien für dauerhaften Unternehmenserfolg”, dass die Top-Manager dieser Welt sich eben nicht nur dieses Verhalten auszeichnen, sondern durch eine ruhige Art des understatements, Zielstrebigkeit gepaart mit Bescheidenheit.
Blickt man auf die prominentesten Fälle in den USA, sieht man in welche Richtung das letztendlich gehen kann: Die lange Liste von Männern in Trumps Riege die er nach und nach gefeuert hat, die Art wie Steve Bannon, mit tweets wie “Sloppy Steve” von seiner Position entlassen wurde zeigen wie sehr dieses System mehr auf den Unsicherheiten Einzelner statt auf echter Macht basieren.
Wer die Macht hat – Unternehmenskultur geht anders
Döpfner hätte gut getan mal zu schauen welche Strukturen gefördert und welches Verhalten belohnt wird, wenn er Koch gehen lässt und Reichelt das bekommt was er will. Koch wurde nicht inhaltlich von Reichelt besiegt, sondern durch sein größeres Lager an Bullys am Arbeitsplatz. Wie man auch immer zur Berichterstattung selbst stehen mag, geht mit Koch ein Talent aus der Springer Familie, das Diekmann selbst gefördert hat, und an der Spitze gesehen hat, nur weil ein anderer sich bedroht gefühlt. Toxische Maskulinität ist kein Macht-, sondern ein Angstbeweis Einzelner. Wer das in seinem Unternehmen fördert, betreibt letztendlich Raubbau am eigenen Subjekt.
Autorin: Penelope