MeToo in Deutschland – Land der Täter

Während #metoo überall an Fahrt aufnimmt, bekommt die Debatte in Deutschland einen ganz eigenen Dreh. Mit Dieter Wedel haben auch wir in Deutschland einen Fall, bei dem ganz klar Namen genannt werden, ein Mann im Vordergrund steht. Wie sich die Debatte aber bei uns in den Medien entwickelt, hat schon seinen ganz eigenen Geschmack. Es scheint, das echte Drama ist, wie die Aufdeckung bestimmter Vorfälle Wedel nun belasten würden. Deutschland, Land der Täter?

Alles verjährt und vergessen

Anfang Januar berichteten im ZEIT-Magazin mehrere ehemalige Schauspielerinnen von sexuellen Übergriffen durch Dieter Wedel. Schon zu Beginn – wie im Fall Weinstein – war der Aspekt Zeit vordergründig. Im Zentrum stand die Verjährungsdebatte statt der Sinn für Gerechtigkeit den Opfern gegenüber. Prominente Unterstützung kam unter anderem von Jutta Speidel:

 

Wer ist hier das Opfer?

Im November 2017 erklärte Dieter Wedel noch gegenüber der Bild, dass ihn als junger Theaterstudent „einige Regisseure und Schauspieler schon mächtig unter Druck gesetzt hätten, er aber nicht nachgegeben habe und auch nicht gebrochen wurde“. Er wurde nicht gebrochen – andere Frauen* schon, und zwar anscheinend von ihm.

Seit kurzem ermittelt nun die Staatsanwaltschaft München gegen den Regisseur wegen einer wahrscheinlich noch nicht verjährten Sexualstraftat und schon wieder ist das Wort „Hexenjagd“ in aller Munde. Verfolgt man nun die Presse, so bleibt der hartnäckige Eindruck, dass es vielmehr darum geht, Dieter Wedel als das eigentliche Opfer zu inszenieren. Verstärkt wird dieses Empfinden natürlich durch seinen Krankenhausaufenthalt aufgrund einer Herzattacke.

Überall glaubt man einen direkten Zusammenhang zwischen den Anschuldigungen und seinem Gesundheitszustand zu sehen. Aber genauso wie für Dieter Wedel die Unschuldsvermutung bis zu seiner Verurteilung gilt, so kann auch die Kausalität von „Hexenjagd“ und gesundheitlichen Folgen bloß hypothetisch bleiben. Empathie mit den Opfern sucht man vergeblich. Um ihnen jedoch das letzte Fünkchen Glaubhaftigkeit abzusprechen und potentiellen weiteren Zeug*innen zuvor zukommen, wird nun von Erpressungsversuchen und gekaufter Berichterstattung berichtet (Namen nannte Dieter Wedel bisher keine).

Das eindeutige Ziel ist hierbei selbstverständlich, weitere mutige Opfer zum Schweigen zu bringen, sie unglaubwürdig zu machen, um von der eigenen Straftat abzulenken und sich wieder ein Stückchen Ansehen zurück zu ergattern.

Der Held, der Täter

Ganz dieser Strategie entsprechend, war es von Dieter Wedel auch äußerst kühn, eigenständig von seinem Amt als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele zurück zu treten. Die positive Anerkennung folgte prompt, wie die hessenschau berichtete:

 

Mit einem Blick in Klatschblätter wie die „Ok“ oder „Bunte“, wird ganz klar deutlich, wo der Fokus der Berichterstattung liegt: Die Vorwürfe müssen die Herzattacken herbeigeführt haben, sie müssen ihm wohl „zusetzen“.

Und jetzt noch einmal mit Gefühl

Liebe Medien, die Frage nach eurer Macht und Verantwortung, sollte an diesen Tagen besonders laut gestellt werden. Es kann nicht moralisch richtig und verantwortungsbewusst sein, wenn der Blick auf die eigentlichen Opfer komplett verloren geht und krampfhaft versucht wird, die Machtposition all derjenigen aufrechtzuerhalten, die leider nicht von der #MeToo Debatte profitieren. Im Fall Dieter Wedel verschwinden die eigentlichen Opfer aus der Berichterstattung, zurück bleibt er, wie jemand der verraten wurde. Seine gesundheitlichen Probleme? Ganz klar, ein Resultat dieser schrecklichen „Hexenjagd“. Wen man hier wirklich verdammt und verraten, hat ist eine Ironie die vielleicht nur einige Redaktionen selbst wirklich verstehen. Wir jedenfalls nicht. 

Autorin: Anne

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