Marcel dem seine Frau – die Frauen, die Huren, und die Politikerinnen der Bild
Bei der BILD sind Frauen* alles – nur keine selbstständigen Personen. Die Minister_innen von Söders Kabinett sind nun bekannt. Die neue Ministerin für Wissenschaft heißt Marion Kiechle. Für die Bild-Redaktion ist sie dennoch einfach nur eins: Die Frau von Marcel Reif.
Sewsan Chibli war bis Dezember 2016 stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts, seitdem ist sie Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales. Bei der Bild dennoch: “Müllers Neue”, obwohl eigentlich als Staatssekretärin die neue rechte Hand von Berlins Bürgermeister Michael Müller. “Syriens First Lady”, Asma Al-Assad, ungeachtet der politischen Ausrichtung, auch nur die “dreifache Mutter”.
Und vergessen wir nicht, dass sogar der Tod der Politologin und Journalistin Sylke Tempel der Bild nur eine Nachricht wert war, weil sie zur “Gabriel-Freundin” erklärt werden konnte.
Diese Herangehensweise schockiert viele, gerade wenn es um Politiker_innen geht. Dabei ist die Denkweise, die dahinter steckt nichts neues bei der Bild. Nur, wenn es um “andere” Frauen geht, fällt es den Leuten gar nicht mehr auf. Models, Erotikdarstellerinnen, Prominente – die sind Freiwild und ja, irgendwie gehört es ja auch zu ihrem Job oder? “Spieler-Frau”, “Götze-Freundin”, das sind Titel, die schäbig klingen, wie Anhang, aber viel Empörung kommt hier nicht auf.
Gerade die Frauen und Freundinnen von Profi-Sportlern müssen hier viel aushalten. Letztendlich sind Frauen* eben nur Ware – je mächtiger bzw. prominenter die Männer, desto austauschbarer ihre Frauen. Wenn man erklären muss, wer sie sind, dann sind sie zuerst die Mutter, Tochter, Frau oder Freundin, dabei fängt es früh an, dass sie, auch gegen ihren Willen als Sexobjekte präsentiert werden. Der “Nachwuchs” steht, ob er will oder nicht, schon längst in den Startlöchern.
Letztendlich müssen wir aber gar nicht viel interpretieren. Die Bild Redaktion hat es ja selber schon mal ganz gut zusammengefasst: “Diese Frauen”, ja, die sind “selbst schuld”. Als wir Ralf Schuler, Mitglied der Bild-Parlamentsredaktion, für einen respektlosen Post zum Aussehen einer Prominenten kritisierten, hat er wohl mal kurz nicht aufgepasst und es uns selbst so erklärt:
“Nicht unser Problem” meint Herr Schuler also – dabei sind Frauen täglich davon betroffen, dass wir nur in Beziehung zu Männern gesehen werden. Vom Kindergartenalter an sind Geschichten, in denen männliche Protagonisten auftauchen “für alle” gedacht, während Protagonistinnen, wenn überhaupt, nur in ausgesprochenen “Mädchenbüchern” auftauchen. Schulen mischen sich darin ein, was Mädchen anzuziehen haben, weil sie angeblich eine Ablenkung für ihre männlichen Kollegen oder sogar ihre Lehrer darstellen. Im Berufsleben wird von vielen Frauen erwartet, einen schmalen Grat zwischen “als attraktiv genug wahrgenommen, um professionell zu sein” und “zu attraktiv und damit schon wieder unprofessionell” zu treffen.
Es ist ein riesiger Fortschritt zu erkennen, wie die Anzahl der Menschen steigt, die nicht mehr hinnehmen wollen, dass Frauen mehr als Objekt denn als Subjekt gelten. Uns wäre es ein Anliegen, in diesem Kontext aber vielleicht noch einen Schritt weiterzugehen, und genauso empört zu sein, wenn Reality TV Frauen*, Models, oder ja, auch Frauen* die es wagen eine Beziehung zu Sportlern zu haben, so behandelt werden. Dann wäre der nächste Schritt nämlich, darüber nachzudenken, wie wir selbst noch, ganz unterbewusst, da auch schon ein bisschen trennen. Und diese Selbsterkenntnis wäre ein kleines Stück Revolution.
Rebecca & Penelope
Borses
„Marcel Reif – Seine Frau ist jetzt Ministerin“. Zielgruppe dieser Bildschlagzeile sind eben vor allem Männer, die den Reif vom Fußballglotzen her kennen. Tja, die Zeitung will verkauft werden, ist eben kommerziell unterwegs. Für andere ist diese Schlazeile belanglos. Frauen lassen sich eher von der folgenden Schlagzeile beeindrucken: „MARCEL REIF – seine Frau und deren drei Scheidungen“. Die Klatschpresse scheint eine solche Thematisierung nicht riskieren zu wollen.