Kennste? Kennste?!! – Bachelors im Paradies und andere Unterhaltungssexismen
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- Bachelor in Paradise, Mario Barth, Unterhaltungssexismus
- 27.05.2018
Am Mittwoch lief die dritte Folge von „Bachelor in Paradise“ – und Unterhaltungsformate die sich mit dating, Sex und zwangsläufig eben auch mit den üblichen Geschlechterklischees befassen, sind am florieren. Wie Unterhaltungssexismus funktioniert, und wieso er irgendwie immer noch eine Art „guilty pleasure“ darzustellen scheint (spoiler alert: auch für manche aus unserem Team!) – dazu ein paar Zeilen von unserer Anna.
Auf RTL wird das Balzverhalten von Dating-Promis in einer paradiesischen Kulisse unter dem Titel “Bachelor in Paradise” ausgestrahlt, während RTL II seit über zehn Jahren Mütter in andere Familien stopft, um ihre Mom-Skills (Kochen, Putzen und Erziehung) in der wöchentlichen “Frauentausch” Folge vorzuführen. Frauen sind so, Männer sind so – pauschalisierte Rollenbilder sind schnell erstellt und in Szene gesetzt. Wenn man schon im Alltag nicht mehr über sexistische Witze lachen darf, dann doch aber bitte über das was uns im Fernsehen vorgesetzt wird: “Der Bachelor”, “Germany’s Next Topmodel”, “Love Island”, “Naked Attraction” und so weiter – die Liste an (überwiegend) Reality-Shows im deutschen Fernsehprogramm im Sinne des Unterhaltungssexismus ist lang.
Schöne Tittensuppe hier
Unter dem Begriff Unterhaltungssexismus verstehe ich die Belustigung auf der Basis von alteingesessenen, veralteten Rollenbildern. Diese sind zwar längst überholt, eignen sich aber trotzdem hervorragend für Fernseh-Formate, Comedy-Programme oder andere mediale Darstellungen. Sie ermöglichen einen einfachen Zugang zu den Inhalten – ob dieser zu einer Identifikation oder zur reinen Unterhaltung beiträgt ist unterschiedlich. Für viele bedeutet es aber vor allem eins: einschalten zum abschalten. Reality-Shows spielen nicht nur gerne mit Rollenbildern- und Klischees, sie (re)produzieren diese auch am laufenden Band. Betrachten wir nun die aktuell erfolgreiche “Kuppelshow auf RTL” – “Bachelor in Paradise”.
Das Konzept der Show ist schnell erklärt: Ehemalige Kandidat*innen aus Bachelor- und Bachelorette-Staffeln treffen auf einer tropischen Insel aufeinander, um einander lieben zu lernen. Am Ende jeder Folge werden Rosen an den/ die Favorit*in verteilt – eine Woche dürfen die Frauen wählen, die andere die Männer. Mit dabei sind starke, durchtrainierte mit Testosteron aufgepumpte Männer, die in einer erstaunlichen Überzahl ihr sexistisches Herz auf der Zunge tragen. Kleiner Einblick: “Schöne Tittensuppe hier”.
Ihnen gegenüber stehen schlanke, meist leicht bekleidete Frauen mit langen (blonden) Haaren, die ebenfalls äußerst kluge Kommentare von sich geben: “Ich finde den Johannes süß, aber ich habe sein Gesicht noch nicht richtig gesehen, weil es hier so viel Schatten gibt”. Im Paradies wird gebaggert und gegraben, was das Zeug hält – Date hier, Kuss da und “Zickereien” um Sunnyboy und “Frauen-Schwarm” Philipp – Trash-TV at it’s best.
Same same, but different
Zwischen Fremdscham und herrlicher Belustigung auf Kosten anderer findet man an diesem Konzept nichts überraschendes, oder? Denn daran orientiert sich gefühlt 50 Prozent der TV-Landschaft, auf die Klatsch-Magazine anspringen und Reality-Show Stars zu kurzer Berühmtheit verhelfen. Es ist einfach so offensichtlich, was mich an solchen Shows stört:
- Die Vermarktung von Liebe als heterosexuelle Beziehung, zu der ein starker Mann und eine sensible, hübsche Frau gehören.
- Die permanente Sexualisierung der Kandidat*innen.
- Der radikale Cut zwischen Männern und Frauen und deren Einteilung in zwei gegensätzliche Lager.
- Das Rumreiten auf Rollenklischees.
- RTLs Bildungsauftrag.
Irgendwie uralt, aber das Konzept scheint wohl immer wieder aufzugehen. Das Rezept Unterhaltungssexismus funktioniert dabei aber nicht erst seit Reality-TV Formaten.
Kennste? Kennste?!
Ein anderes herausragendes Beispiel, vielleicht sogar das Paradebeispiel für Unterhaltungssexismus ist Mario Barth. Während eben betitelte Shows im Vergleich noch “versteckt” mit Rollenbildern spielen, indem sie ihre Z-Promis einfach machen lassen, basiert das Konzept des Comedian auf seinen Beziehungs-Erfahrungen aus dem Alltag. In der eigenen TV-Show, auf Bühnen deutschlandweit und auf schlecht designten T-Shirts verbreitet Mario Barth seine durchweg sexistischen und hängen gebliebenen Geschichten. Was mich so wütend macht? Er ist immer noch einer der erfolgreichsten Komiker im Land und scheint somit den Humor der breiten Masse getroffen zu haben. Indem er aus dem Nähkästchen plaudert, nonstop über seine Freundin herzieht und dabei einen machohaften Spruch nach dem anderen droppt, lieferte er leichte Unterhaltung die offensichtlich für jeden verständlich ist.
Das was der Barth da erzählt, kennt ja jeder irgendwie… Frauen, halt. Und damit ist diese Form von Unterhaltungssexismus näher am Alltagssexismus, als alle RTL Trash-TV Shows zusammen. Schlecht einparken? Schuhe kaufen? Zu zweit aufs Klo? Na gibt es doch ein paar Sprüche, die man aus dem Barth-Programm abkapseln kann. Mit dieser Form der Comedy verfestigt Mario Barth geschlechtsspezifische Attribute und legitimiert eine unterwürfige Darstellung der Beziehung von Frauen zu Männern.
Na und jetzt?
Menschen, die Mario Barth Witze klauen und ihrer Frau an den Kopf werfen, stehen für mich auf derselben Stufe, wie Männer die im Zuge von MeToo “Den bedrohten Mann” anführen. Denn beide Fraktionen verharmlosen jegliche Form von Sexismus und bestärken diesen (un)bewusst – die einen indem sie die Humor-Keule schwingen, die anderen indem sie die Opfer-Täter-Rolle generalisieren, um sie dann umdrehen zu können.
Gleichzeitig schauen aber auch viele Frauen*, oder gerade eben diese, Formate wie „Bachelor in Paradise“, die eben in die gleiche Sexismus- Schublade greifen. Ist das nun aber wieder so trash, dass es wieder ok ist? Ich frage mich jedenfalls, wieso Unterhaltungssexismus immer noch über so eine große Plattform verfügt, die scheinbar nicht hinterfragt wird. Aber diese Frage würde ja bedeuten: Hirn einschalten, statt abschalten. Und manchmal will man das halt einfach nicht.