Glitzernde Fashionwelt: So bunt und divers?
- International
- fashion, gntm, mode, rassismus
- 18.07.2018
Leoni Schwandt promoviert über race in der Modeindustrie im Libanon und gibt uns einen kleinen Insider*inblick direkt aus der “glitzernden Fashionwelt”. Denn: Vorstellungen, wie Models sich aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Körbchengröße zu verhalten haben, folgt oft neo-kolonialistischen Stereotypen.
Ein Model braucht personality, dass hört man doch überall. Doch natürlich handelt es ist nicht etwa um den tatsächlichen Charakter des Models, sondern um ihre „Aura“, das Gefühl, das sie vermittelt, wenn sie einen Raum betritt, vor der Kamera steht oder gekonnt Designer*innen, Fotograf*innen und Agent*innen mit ihrem Charme verzaubert. Diese personality ist maßgebend. In einer Welt, in der homogene beauty standards kaum Spielraum für Besonderheiten lassen, muss ein Mädchen eben anders auffallen.
Wer will denn schon eine schüchterne Brasilianerin sehen?
Ein “gutes” Beispiel” ist GNTM und Heidi Klum. Die meint jedenfalls erkannt zu haben, dass eine Brasilianerin ein gewisses Temperament braucht, denn das gehört einfach zu einer “Brazilian Personality”. „Wo ist unsere heiße Brasilianerin denn heute?“ ruft Heidi provokant der GNTM Kandidatin zu, die eher planlos versucht, sich einem grünen Flatterkleid auf einem Einhorn-Rodeo in Szene zu setzen. Heidis Frage ist eine rhetorische, sie gibt Bruna zu verstehen, dass das angehende Model beim nächsten Mal gefälligst ihr feurig-brasilianisches Temperament mit ans Set bringt. Eine stille, schüchterne Brasilianerin – wer will denn das sehen? Germany’s Next Topmodel, oder America’s Next Topmodel sind sicher keine akkurate Spiegelung des Modelberufs oder der Modebranche. Sie dienen primär der Unterhaltung der Nation, auf Kosten junger Mädchen, die für ihren „Traum“ einiges tun. Doch wenn auch quotengerecht verpackt, die Show gibt immer wieder Einblick in die Produktionsmechanismen von Ästhetik, die in der wirklichen Modebranche nicht anders funktionieren als auf Pro Sieben.
Wenn die Haut nicht “so schön” strahlt
Die internationale Modebranche ist von weißen Körper dominiert. Um das zu erkennen, muss man nicht Expert*in sein. Weiße Körper gelten allgemein als schön, elegant, vielfältig und wandelbar. Sie können so gut wie jede Rolle einnehmen – wie eine weiße Leinwand eben. Vor ein paar Jahren arbeitete ich als Assistentin auf einem Fotoshoot einer Modest-Wear Designerin, deren Kundinnen hauptsächlich aus Nordafrika,
dem Nahen Osten und Südostasien stammen. Die weiße englische Fotografin erläuterte dieses Leinwand-Prinzip sehr anschaulich. Meine Verblüffung darüber, dass ein hellhäutiges osteuropäisches Model so lange geschminkt wurde, bis ihre Gesichtszüge und Hautfarbe auf nah-östliche Herkunft schließen ließen, konterte die Fotografin mit Argumenten „faktischer Ästhetik”. Models aus „diesem“ Gebiet (wobei mir bis heute nicht klar ist, um welches Gebiet es sich da genau handelte) haben einfach andere Körper: weicher, viel runder, das sei wirklich schwer elegant zu fotografieren. Und dann ist da noch die Hautfarbe, das sei mit der Reflektion des Lichtes wirklich unnötig aufwändig, denn dunkle Haut strahle einfach nicht so schön.
Die Modebranche ist voller rassifizierten Vorstellungen
Schockierender Weise sind die kritisch verzerrte Wahrnehmung und die explizit rassistischen Ansichten keine Einzelmeinung einer unfähigen Fotografin, sie sind die Norm. Das bedeutet nicht, dass es keine Ausnahmen gäbe, denn für jeden Typ Frau hat die Modebranche eine rassifizierte Vorstellung davon, wann sie strahlen kann: Latinas, denen Erotik praktisch angeboren ist, sehen gut aus in knappen Bikinis. Schwarze Models werden in Ethno-chic vor Wüstenhintergrund abgelichtet, weil sie so etwas Ungestümes an sich haben. Aber in eleganten Haute-Couture Kleidern auf dem Cover von Vogue – dass passt einfach nicht. Rassifizierte Vorstellungen davon, wie Menschen sich in verschiedenen Teilen der Welt verhalten, wie sie aussehen und was sie können, sind in der Mode omnipräsent. Kategorisierungen nach Hautfarben, Nasenformen und Haarstrukturen stammen aus dem Kolonialismus des 19. und 20. Jahrhunderts und der gewaltsamen Auferlegung mitteleuropäischer Normen. Wenn auch selten derart direkt formuliert, rassistische Klischees und Fantasien, die nicht weiße Frauenkörper auf groteske Weise exotisieren und erotisieren fließen maßgeblich in die Entscheidungen von Model-Scouts und Modemacher*innen mit ein. Der Logik dieser Normen zufolge können weiße Models, sowie weiße Menschen generell, so gut wie alles. Nicht-weiße müssen als Models zweiter Klasse ihre Fähigkeiten erst mal unter Beweis stellen. Ein Spagat zwischen maximaler Assimilation und absurder Exotisierung. Wenn Heidi einer eingeschüchterten Kandidatin rät, sich „brasilianischer“ zu verhalten, dann ist das ein strategischer Ratschlag, den sie dem Mädchen mit auf den Weg gibt. Als high-fashion Model, kühl, elegant und irgendwie unantastbar wird sie es wahrscheinlich nicht schaffen. Als heißblütige Latina mit ihrem karnevalesken Charme hingegen hat sie gute Chancen.
Diese Vielfalt! Bunter als das echte Leben
Zugegebenermaßen ist die Zahl der GNTM Kandidatinnen, die nicht Größe XS tragen, lange blonde Haare und helle Haut haben in den letzten dreizehn Jahren deutlich gestiegen. Grund für Heidi, gleich zu Beginn der Staffel mit Stolz zu verkünden, die Modeindustrie sei eine der diversesten überhaupt. Auch ein Artikel der deutschen Harper’s Bazaar, deren Cover dieses Jahr zum ersten Mal von einer GNTM Gewinnerin geschmückt wurde, versprüht eine Welle der Begeisterung und behauptet gleich nach der ersten Folge: „In Staffel 13. ist alles anders“ – so bunt und rund und diese Vielfalt! Welch glücklicher Zufall, dass ausgerechnet dann auch noch ein schwarzes Model den Titel ergattert. Zweifel machen sich breit unter Kritiker*innen, ob das etwa ein strategischer Sieg gewesen sein könnte, um skeptischen ZuschauerI*nnern zu verdeutlichen, dass die Modeindustrie im Kampf um Diversität gesiegt und endlich das post-race Zeitalter eingeläutet habe. Heidi, Bazaar und die vielen Jubelnden verkennen, dass es nicht nur darum geht prozentual die Anzahl der nicht-weißen Körper auf Magazin-Covern und in Modekatalogen zu steigern, sondern die Art der Darstellung und der Wahrnehmung dieser Körper grundlegend zu hinterfragen. Solange sich Bruna nur als bombshell-Latina einen Namen als Model machen kann, hat die Modebranche noch einen weiten Weg vor sich, bevor man sie divers nennen kann.
Leoni Schwandt