Kunst statt Kommerz – wenn „Sex sells“ sich eben nicht mehr verkauft
- #Allgemein, Activism, Medien
- 24.04.2018
Werbung ist wirklich überall – auf dem Kneipenklo, in der Bahn und vor allem auf öffentlichen Plätzen. Denn Werbung will vor allem eins: gesehen werden und so viele Menschen wie möglich erreichen. Das Adbusting-Kollektiv Dies Irae hat darauf kein Bock und gestaltet Werbung einfach mal um. GEM hat mit Dies Irae gesprochen und mal nachgefragt, was sie mit ihrer Arbeit bewirken wollen und was das Ganze mit öffentlichen Sexismus zu tun hat.
GEM: Wir hören immer mehr von Adbusting-Aktionen in Deutschland. Was genau ist Adbusting und was kann man damit erreichen?
Dies Irae: Adbusting ist das kreative Verfremden von Werbung, „bis zur Kenntlichkeit“, wie wir in der Szene gerne sagen – bis also ein wahrer Kern auf einem Werbeplakat hervorblitzt. Wir finden Werbung absolut illegitim und mit Adbusting können wir Irritationsmomente schaffen, die zum Nachdenken anregen. Dafür werden veränderte Werbeplakate in sogenannten City-Light-Werbevirtrinen, die man oft an Bushaltestellen vorfindet, oder auf großen, gekleisterten Werbeflächen angebracht. Das Ziel bei solchen Interventionen sind Denkanstöße und Impulse für die Betrachtenden. Und noch viel wichtiger erscheint uns, den öffentlichen Raum zu nutzen, um Kunst statt Kommerz zu verbreiten. Auch wenn die Plakate über Social Media teilweise ein großes Publikum erreichen, zählen für uns nicht die „Gefällt mir“-Klicks. Was wir wirklich feiern ist, wenn eine Diskussion über Werbung und Inhalte entsteht und ein Bewusstsein für zum Beispiel sexistische Werbung wächst.
Adbusting gegen Sexismus – Foto: Dies Irae
GEM: Seid ihr eher Kommentator*innen oder entsteht auch ein Dialog mit den Unternehmen oder den Menschen?
Dies Irae: Im Idealfall gelingt ein Dialog, vielleicht nicht direkt mit uns aber mit den Werbenden oder den Themen, die das Adbusting anspricht. So war beispielsweise das ASTRA Adbusting aus unserer Sicht ein großer Erfolg, denn es wurde direkt vor dem veränderten Plakat im öffentlichen Raum diskutiert und die Kritik am Sexismus des Original-Plakates stieß auf große Resonanz und befeuerte aufs Neue einen Diskurs über Sexismus in der Werbung.
GEM: Was bringt mehr? Adbusting, das Leute zum Lachen bringt oder wütend macht?
Dies Irae: Beides bringt was, es kommt auf den Kontext und Inhalt an. Beides hat zu gleichen Teilen Berechtigung und kann ebenso effektiv sein. Entscheidend ist der überraschende Moment darin, der möglicherweise besser in Erinnerung bleibt.
GEM: Was habt ihr gegen Plakate oder Werbung? Und was hat das alles mit Sexismus zu tun?
Dies Irae: Werbung im öffentlichen Raum finden wir gar nicht okay, der Öffentliche Raum darf kein Werbeprospekt sein und er gehört den Menschen der Städte und nicht den Großunternehmen. Sexismus finden wir häufig in der Werbung, vor allem bei kleinen mittelständischen Unternehmen, aber auch große Markennamen haben den einen oder anderen Fail vorzuweisen. „Sex sells“ heißt es, wobei Studien belegen, dass dem eigentlich gar nicht so ist. Letztlich spiegelt Werbung aber ja hier nur einen gesellschaftlichen Konsens wider, nicht alle bewerten zum Beipsiel die ASTRA Werbung als sexistisch, oder wenn die Mutter an der Waschmaschine steht und das neuste Waschmittel anpreist, mit dem sie ihrer Familie die Wäsche wäscht. Aber genau das aufzuzeigen, was daran nicht okay ist, ist das Reizvolle und im besten Falle Effektive des Adbustings.
GEM: Gibt es auch gute Werbung? Was ist mit den Werbeflächen – könnte man diese nicht für sozialkritische Kunst stehen lassen?
Dies Irae: Es gibt keine gute Werbung, aus unserer Sicht. Gute Produkte brauchen keine Werbung, und was wir wirklich brauchen, wissen wir auch ohne Werbung. Und Kunst statt Werbung, finden wir super.
Inspiriert von der Arbeit von Dies Irae machen auch wir einen Adbusting-Workshop. Als BILD-kritische Instanzen haben wir uns mit einigen Künstler*innen zusammengetan, um ihren sexistischen und rassistischen Journalismus „gebürtig zu honorieren“. Dafür brauchen wir euch! Also wenn ihr am 2.+3. Juni in Berlin seid und Zeit und Lust auf Kreativität habt, dann schreibt eine Mail an hallo@genderequalitymedia.org oder via Social Media – mehr Infos gibts dann per Mail.
Das Interview führte Britta