Wenn Redaktionen Frauen* hassen: Von „die Frauen sind selbst schuld“ zu angezogenen Bild-Girls

In der BILD-Zeitung wird es ab jetzt keine nackten Bild-Girls mehr geben. Kurz nach Veröffentlichung dieses Statements (und den ersten “erotischen” Bildern einer nicht ganz nackten Frau) ging ein Blitz durch die Social Media Bubbles – hat die 2014 gegründete Kampagne #StopBILDSexism nun ihr Ziel erreicht? Ist die BILD jetzt weniger sexistisch? Setzt da etwa wirklich ein Kulturwandel ein? Hier unser Rückblick auf den krassen Sexismus der Bild, den ersten backlash zu #StopBildSexism, und warum wir jetzt erst recht weiter fordern müssen.

So so, die BILD, Europas auflagenstärkste Zeitung, will ab dem 12. März 2018 “keine eigenen Oben-ohne-Produktionen von Frauen mehr zeigen” und kommentiert diesen Schritt selbst mit: “Männer, ihr müsst jetzt ganz stark sein.” Zur Begründung schreibt die Zeitung, dass man das Gefühl habe, Frauen würden den Anblick anderer nackter Frauen “kränkend oder herabwürdigend” empfinden. Dabei, so BILD, sollten die nackten Frauen doch unterhalten. Und sowieso, alle nackten BILD Girls hätten sich absolut freiwillig für die Zeitung ausgezogen. Nun soll also ein zeitgemäßer Stil her: erotische Bilder soll es weiterhin geben, aber die BILD gelobt nun “vorsichtiger, nachdenklicher” zu sein bei der Auswahl der Bilder. Erotische Bilder von Frauen (in dem selbsternannten journalistischen Medium) BILD-Zeitung komplett abschaffen? Das scheint der Redaktion zu weit zu gehen, immerhin sei erotische Fotografie eine Errungenschaft freier Gesellschaften. Genauso wie darüber streiten zu können. Die Kampagne #StopBILDSexism – wie auch viele andere feministische Organisationen und Einzelpersonen – hat sich immer entschieden gegen die Darstellung nackter Frauen in journalistischen Medien ausgesprochen, immer aber auch darauf hingewiesen, dass das sogenannte BILD-Girl nicht allein für den Sexismus der BILD-Zeitung steht, sondern beispielhaft für die gesamte sexistische und verzerrende Berichterstattung der Boulevardzeitung ist.


Boom boom Baby – Sexualisierung Minderjähriger und Frauen* als Sexobjekt

In der 2017 veröffentlichten BILD-Studie von #StopBILDSexism wird dies mit klaren Zahlen belegt. Während im Unterhaltungsressort etwa 50% der Berichterstattung auf Frauen entfällt, waren es im Wirtschafts- und Politikteil nur knapp 25%. Beim Sport waren es mit etwa 15% sogar noch weniger. Insgesamt betrafen nur 35% der Berichterstattung von BILD Frauen. Anders sieht die Verteilung bei der Darstellung nicht angezogener Personen aus. Hier sind Frauen unangefochten mit 64% in der Mehrheit. Und das ausgerechnet im Unterhaltungsressort, also dem Teil der Zeitung der nicht zum allergrößten Teil auf Männer entfällt. Auch ganz ohne BILD-Girl wird der Sexismus der Zeitung offenbar: Frauen und ihre Leistungen sind in allen Ressorts der Zeitung unterrepräsentiert. Frauen, die auf ihre Körper reduziert werden, sind stattdessen weit in der Überzahl.
Je weiter man an dieser Stelle ins Detail geht, desto mehr Abgründe tun sich auf. So schockiert die BILD-Zeitung immer wieder auch mit der Sexualisierung Minderjähriger. Seien es die “gefährlich heißen Kurven” einer Siebzehnjährigen oder die Darstellung junger Frauen als lediglich schön anzusehende Deko, der Sexismus steckt bei der BILD nicht im Detail, sondern auf allen Seiten. Das gilt auch abseits der grafische Ebene, in den Texten der BILD. Unzählbar sind die Beispiele, der “Sex-Dramen”, in denen es eigentlich im Vergewaltigung geht, oder der “Luder-Geschichten”, in denen Frauen um ihre selbstbestimmte Sexualität beraubt und der Öffentlichkeit als willenlose Objekte präsentiert werden.


Zieh dich doch einfach selbst aus – bisherige Reaktionen der Bild

Die Redaktion der BILD-Zeitung übt Macht aus, jeden Tag. Indem sie entscheidet wer zu Wort kommt, wer in welcher Art und Weise sprechen, eine Botschaft verbreiten darf. Frauen sind dabei stark unterrepräsentiert. Sie erhalten weniger Möglichkeiten sich, ihre Lebensleistungen (siehe z.B. Sport) zu präsentieren, oder über Wünsche und Visionen zu sprechen. Stattdessen werden sie in der bildlichen Darstellung auf ihre Körper reduziert und in der Berichterstattung zu Objekten gemacht. Ist die Abschaffung des BILD-Girls nun also wirklich der Vorbote eines Kulturwandels bei Deutschlands größter Boulevard-Zeitung? Auch mit vorsichtiger Prognose muss das bezweifelt werden.
Als Kristina Lunz vor drei Jahren die Petition startete, aus der StopBildSexism enstand, war Kai Diekmanns Reaktion, damaliger Chefredakteur der BILD, Kristina zu fragen ob sie nicht auch BILD-Girl werden will. Ralf Schuler, Mitglied der Bild-Parlamentsredaktion, gab damals schon zu die Frauen* die sich nackt zeigten, zu verachten. Auf die Frage wieso wieder eine erniedrigende Schlagzeile benutzt wurde, hierß es nur: „die Dame ist selbst Schuld.“

Mit dem Wechsel in der Chefredaktion von Tanit Koch zu Julian Reichelt, hat sich der Ton der Zeitung noch einmal verschärft. Letztere bezeichnete die Aktivist*innen von #StopBILDSexism damals als “Selbsthilfegruppe” und sprach ihr damit das Recht und die Legitimität als produktive Kritik ab. Wird sich das mit Julian Reichelt ändern? Wohl kaum. Denn im heutigen Statement wird die neue Richtung der BILD klar – erotische Bilder werden nun nicht mehr nur mit dem Willen der zumeist männlichen Leser gerechtfertigt, sondern gar mit der Meinungsfreiheit liberaler Gesellschaften verbunden.

Jetzt erst recht

Die Reaktion der BILD basiert sicherlich nicht auf einem neu gewonnen Verständnis was Sexismus anbelangt. Vielmehr ist dieser, auch noch so kleine Wandel, der Beweis dafür, was sich gerade gesellschaftlich verändert. Der öffentliche Druck durch Kampagnen und die Debatte um #metoo machen es immer schwerer die Degradierung von Frauen* zu legitimieren. Im Statement der BILD steht:

“Aber natürlich dienen diese Fotos einem Hauptzweck. Sie sollen unterhalten, und zwar meistens Männer. Wir bei BILD glauben nicht, dass die Unterhaltung von Männern die Kränkung von Frauen in Kauf nehmen sollte (und natürlich auch nicht umgekehrt). Deswegen werden wir solche Fotos auch nicht mehr produzieren.”

Der eigentliche Gewinn ist daher vielleicht nicht nur die Tatsache, dass es bald keine komplett nackten BILD-Girls zu sehen gibt. Sondern Zugeständnisse, welche die BILD nun öffentlich machen muss, denn Aussagen wie diese die zeigen, dass auch die BILD den gesellschaftlichen Wandlungsprozess nicht weiter ignorieren kann. Vielleicht stellt sich sogar allmählich ein Bewusstsein für das eigene Handeln ein. Trotzdem ist das BILD-Girl nicht das Hauptproblem der BILD und wir werden sicherlich auch kein Abo abschließen. Denn auch ohne nacktes Bild-Girl produzieren Reichelt & Co. täglich Sexismus und Rassismus. Und wir werden so lange weitermachen, bis eine Vergewaltigung nicht mehr “Sex-Skandal” genannt wird, bis alle Geschlechter endlich ernst genommen werden und bis niemand mehr diskriminiert wird. #StopBILDSexism macht weiter. Jetzt erst recht!

  • Ronya Salvason

    Wow! Ich bin froh, dass ihr beharrlich diese Arbeit gegen Sexismus macht – danke! Auf dass es bald weitere Erfolge zu feiern gibt im Einsatz für Respekt gegenüber Frauen* und Mädchen! 🙂

  • Helmut Dob

    solch einen Schund erst gar nicht kaufen, lesen erst recht nicht. Wie (geistes-) krank ist unsere Gesellschaft eigentlich (geworden)?

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