Unsere

Forderungen

Gewalt ist keine Sprache. Hass kein Argument. Sexismus ist keine Meinung.

Sprache hat die Macht, Emotionen, aber auch Werte zu vermitteln. So kann Menschen unterbewusst bestimmte Wertvorstellungen und Anschauungen kommuniziert werden. Wenn im Kampf um Frauenrechte die Macht von Worten angesprochen wird, so entsteht im ersten Moment oft Verwunderung. Sehr häufig wird der Kampf um Gleichstellung, wenn es um die Darstellung von Frauen in Online- und Printmedien geht, auf Visuelles reduziert. Dabei ist gerade die Wortwahl ein Spiegel der Machtstrukturen einer Gesellschaft. Eine verstärkte Sensibilität gegenüber der diskriminierenden Verwendung bestimmter Begriffe kann dem Status Quo jedoch entgegenwirken.

Im Kontext unserer vierjährigen Kampagnenarbeit sind uns bestimmte wiederkehrende Begriffe und Formulierungen aufgefallen, die in der Berichterstattung von Print- und Onlinemedien zur Beschreibung von Frauen* häufig verwendet werden. Sie kommunizieren und verfestigen sexistische und gewaltverharmlosende Positionen. Wir haben diese Begriffe in die folgenden vier Themenblöcke einordnen können:

 

1. Verharmlosung von sexueller Gewalt

2. Verharmlosung von Gewalt und rassistische Doppelmoral

3. Reduktion auf Äußeres und (abwertende) Sexualisierung

4. Objektifizierung von Frauen

 

 

1. Verharmlosung von sexueller Gewalt durch Euphemismen

Beispiele: “Sex-Attacke”, “Sex-Gangster”, “Sex-Mob”

Selbst in der Berichterstattung über Straftaten gilt “Sex sells”. Ganz bewusst wird hier der Begriff “Sex” verwendet, um Spannung zu erzeugen und um Verkaufs- und Klickzahlen zu erhöhen. Eine Gewalttat sollte aber auch als solche benannt werden. Wortschöpfungen wie “Sex-Attacke” oder “Sex-Gangster” wirken verharmlosend und ziehen damit Straftaten ins Lächerliche.
Durch die Verwendung des Begriffes „Sex“ statt “Vergewaltigung” wird die Perspektive der*des Berichtenden zur Täterperspektive. Damit wird indirekt vermittelt, dass das sexuelle Verlangen des Täters im Vordergrund steht. Gleichzeitig wird die Gewalt, die das Opfer erfährt, nicht zur Sprache gebracht und wird somit zweitrangig.

Vergewaltigung ist jedoch kein einvernehmlicher Geschlechtsakt, sondern ein Gewaltverbrechen, welches das Menschenrecht auf sexuelle Selbstbestimmung untergräbt und dem jeweiligen Opfer großen Schaden zufügt. Wie andere schwere Straftaten auch, sollte eine Vergewaltigung als solche auch in der journalistischen Berichterstattung identifiziert werden und identifizierbar sein. Die Wortwahl “Sex” führt zu einer Normalisierung, Verharmlosung und Kompromittierung von Gewaltverbrechen und ihren Opfern.

 

2. Verharmlosung von Gewalt und rassistische Doppelmoral durch Reduzierung des Sachverhalts auf “Fremde”

Beispiele: “(Familien-)Drama”, “Unglück” im Vergleich zu “Ehrenmord”

Häusliche Gewalt und insbesondere Mordfälle in “bio-”deutschen Familien werden in Pressemeldungen oft mit dem Begriff “Drama” bezeichnet. Er dient klar dazu, die Neugier der Leser*innen anzusprechen. So hat die Bild-Zeitung Fälle dieser Art sogar in einer Rubrik namens “Familiendrama” gesammelt. Der Begriff “Drama” vermittelt den Eindruck, es handele sich um eine fiktionale Erzählung, nicht um reale, schwerwiegende gesamtgesellschaftliche Probleme wie toxische Maskulinität, Partnerschaftsgewalt und Femizid.

Gerade im Bezug auf Gewalt gegen Frauen werden Begriffe mit “Drama” immer wieder verwendet, um über Mord und Totschlag durch den Partner zu berichten. Das Wort impliziert zum einen die Unabwendbarkeit und beiderseitiges Verschulden der Tat. Es beschreibt den Mord und Totschlag beschönigend als einen tragischen Konflikt, der letztendlich zum Tod der Frau führt. Zum anderen erzeugt “Drama” auch den Eindruck es handele sich eher um einen Schicksalsschlag als eine Straftat. Jede Tat wird so zum unglücklichen Einzelfall gemacht und damit relativiert. Das strukturelle Element von Gewalt gegen Frauen* verschwindet innerhalb der Erzählung des Ereignisses.

Dabei steckt in Wirklichkeit systematische Gewalt dahinter: Laut einer Studie des Bundeskriminalamtes (BKA), die im November 2016 von der damaligen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig vorgestellt wurde, wurden im Jahr 2015 131 Frauen durch ihren Partner getötet, statistisch gesehen stirbt in Deutschland jeden zweiten Tag eine Frau an den Folgen von Gewalt, wobei in 90 bis 95% der Fälle von häuslicher Gewalt Frauen die Opfer und Männer die Täter sind. Dies geht auch aus den Zahlen der 2004 veröffentlichten Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hervor. 104.000 Frauen waren insgesamt von Partnerschaftsgewalt betroffen. In einem Bericht von 2011 steht, dass jede zweite ermordete Frau in Deutschland durch ihren Partner ums Leben kam.

Wenn man die Berichterstattung bei Opfern von muslimischen Tätern oder Menschen nicht-weißer Hautfarbe betrachtet, werden solche Morde mit einem falschen Bild von Männlichkeit und einem veralteten Frauenbild in Verbindung gebracht. In diesen Fällen wird “Ehrenmord” verwendet – ein Wort, das alle Taten einschließt, die mit dem verletzten Stolz der Männer der Familie oder des Partners der Frau zu tun haben. Gewalt gegen Frauen ist also erst dann als Problem eines gewalttätigen Patriarchats oder einer Religion erkennbar, wo diese als etwas „Fremdes“ bezeichnet wird.
Im Grunde entspringen beide Fälle, in denen Frauen durch ihren Partner getötet werden, einem falschen Männlichkeitsbild. Es besteht ein systemisches gesamtgesellschaftliches Problem.

 

3. Herabwürdigung von Frauen durch Reduktion auf ihr Äußeres und (abwertende) Sexualisierung

Beispiele: “Party-Luder”, “Luder-Liga”, “Krawall-Barbie”

Frauen werden oft durch die Reduktion auf ihr Äußeres herabgewürdigt; ein Prozess, der ebenfalls viel durch die Sprache passiert. Die professionelle oder moralische Integrität von Frauen wird dabei häufig in Frage gestellt oder aberkannt. Im direkten Vergleich mit der Berichterstattung über ihre männlichen Kollegen, wird der Doppelstandard, dem Frauen ausgesetzt sind, sehr deutlich.
Im Fall von Politikerinnen ist besonders klar zu erkennen, dass der starke Fokus auf ihre Kleidung und Figur nichts damit zu tun hat, wie qualifiziert sie ihren Beruf ausüben oder mit der Art und Weise wie sich diese Entscheidungsträgerinnen darstellen wollen. Ein bekanntes Beispiel ist dabei die Berichterstattung über Angela Merkel und ihr Dekolleté bei einer Operneröffnung in Oslo. Der Fokus auf das Aussehen greift auf sexistische Machtkonstrukte zurück, die einer Frau Wert zu- oder absprechen, je nachdem ob sie dem eigenen Geschmack entspricht. Dabei kann ein “Lob” in diesem Kontext genauso entwertend sein wie ein negativer Kommentar. Worum es hierbei letztlich geht ist das Ausüben von Macht. Männer bewerten, Frauen werden bewertet.

Ein weiteres Beispiel ist das “Party-Luder.” Begriffe wie “Luder” oder Konstruktionen mit “Sex”, “Party” etc. für (prominente) Frauen, die zum Beispiel beim Feiern oder unter Alkoholeinfluss gezeigt werden, dienen dazu die betroffenen Frauen lächerlich zu machen. Sie verweisen ein noch immer vorherrschendes sexistisches Rollenmuster unserer Gesellschaft. Frauen, die sich stereotyp maskulin verhalten und zum Beispiel sehr offen mit ihrem Sexualleben umgehen, werden mit solchen abwertenden Begriffen belegt. Gerade Kinder von Prominenten oder Schauspielerinnen werden dabei oft so benannt. Dahinter verbirgt sich die Überzeugung, dass ein solches Verhalten bei Frauen unpassend beziehungsweise verwerflich ist. Verteidigt wird eine derartige Darstellung oft damit, dass bestimmte Prominente aus eben jenen Skandalen und der Fokussierung auf ihren Körper ihr Kapital schlagen. Dementsprechend liege eine solche Berichterstattung ja sogar in ihrem Interesse. Jedoch konnten wir bei männlichen Prominenten die sich auf ähnliche Weise, also weitestgehend über ihr Aussehen vermarkten, keine Dominanz solcher Definitionen feststellen. Solche Begriffe sind für Männer nicht geläufig.

 

4. Sexuelle Herabwürdigung zu Gegenständen sowie das Implizieren von Besitz durch Objektifizierung

Beispiele: “Mit diesen Bällen darf Ronaldo spielen,” „Wem gehören diese Hammer Ladys“

Frauen des öffentlichen Lebens werden häufig (unfreiwillig) auf ihr Aussehen reduziert und sexualisiert. Dies geschieht oft über Paparazzi, die sie leicht bekleidet oder in verletzlichen Positionen zeigen. Solche Fotos spiegeln die weit verbreitete problematische Annahme wieder, dass die Gesellschaft ein Recht darauf hat die Körper dieser Frauen – auch halbnackt – zu sehen und zu bewerten. In Einzelfällen sind Fotos dieser Art Teil einer Publicity-Maschinerie der Stars selbst. Bei den meisten Fällen handelt es sich jedoch um einen Angriff auf die Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte dieser Personen.

Doch auch ohne passendes Bildmaterial werden Frauen durch Sprache unfreiwillig in einen sexualisierten Kontext gesetzt – unabhängig vom tatsächlichen Geschehen oder ihrem Willen. So werden auch die Brüste voll bekleideter Frauen im Alltag zum Beispiel als “Bälle”, “Ballons” oder “Hupen” beschrieben. In Online-Abstimmungen können Leser*innen über den Attraktivitätsgrad der abgebildeten Frauen abstimmen. Aktionen dieser Art zementieren dabei die Ansicht, dass der weibliche Körper ständiger Bewertung ausgesetzt ist und auch sein sollte.

Zahlreiche Studien belegen den Zusammenhang von Objektifizierung von Frauen und Gewalt gegen diese. Solche Wortschöpfungen führen dazu, dass Frauen immer zuerst als sexuelle Objekte betrachtet werden und dann als Menschen. Der Blick auf Frauen als Sexobjekte wird dabei normalisiert und gefördert.

Fazit

In allen genannten Fällen könnte eine Sensibilisierung über die Wortwahl, ihre mitschwingenden Assoziationen und Bewertungen, ein Umdenken in der Gesellschaft unterstützen und fördern. Wir müssen den Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Problemen und den Normen und Werten, die diese fördern und am Leben erhalten, aufdecken, um die existierenden Missstände erfolgreich zu bekämpfen. Wenn junge Frauen sehen, dass Frauen, die Alkohol trinken und Sex haben im Gegensatz zu Männern als Luder bezeichnet werden, schafft das unterbewusst Grenzen. Wenn es normal ist, dass eine Frau unabhängig von ihren Leistungen auf ihr Aussehen reduziert wird, so verfestigt es die untergeordnete Rolle von Frauen in der Gesellschaft, da sie sich im Machtverhältnis immer wieder in der Rolle des Objekts wiederfindet. Wenn jede zweite ermordete Frau in Deutschland durch die Hand ihres Partners stirbt, aber dies immer noch nicht zu einer Debatte über Femizid und Misogynie führt, ist dies auch auf die mediale Berichterstattung zurückzuführen.
Gerade im Kontext aktueller gesellschaftspolitischer Geschehnisse in Bezug auf Frauenrechte fordern wir dringend darauf zu achten, welche Macht in Worten steckt. Misogynie ist darüber hinaus auch eng mit Rassismus, der Unterdrückung religiöser Gruppen und Minoritäten verknüpft. Umfassender gesellschaftlicher Wandel kann in diesem Sinne nur stattfinden, wenn Unterdrückung und Gewalt auf allen Ebenen ernst genommen und bekämpft wird.